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Vielleicht kennen Sie auch noch den Spruch: „Vertrauen ist gut – Kontrolle ist besser“? Dies kommt aus einer Zeit, in der die Zusammenarbeit hauptsächlich gemeinschaftsbestimmt und konformistisch geregelt wurde. Es gibt jemanden, der sagt, wo es hingeht, was die Vorgaben sind und auch kontrolliert, dass alles so läuft, wie es soll. Grundsätzlich achten die Führungskräfte auch darauf, dass es möglichst gerecht zugeht. Die einzelne Person hat ihren klar definierten Aufgabenbereich. Es wird auch eng überprüft, ob diese Aufgaben im erforderlichen Maße erledigt werden. Größere Handlungsspielräume sind selten.

Nun hat sich die Gesellschaft weiterentwickelt und die Arbeitswelt in großen Teilen gewandelt. Jeder Einzelne bekommt mal größere, mal kleinere Handlungsspielräume in seinem Umfeld zugestanden. Immer mehr wird einem zugetraut und immer freier kann der Umsetzungsweg zum Ergebnis selbstbestimmt, in einem gewissen Rahmen, gewählt werden. Wenn ich Vertrauen geschenkt bekomme, dann lässt mich das – meist – innerlich wachsen. Nur, wie ist das mit denjenigen, die das Vertrauen schenken „müssen“, die durch das Ermöglichen größerer Freiräume den eigenen Einflussbereich einschränken?

Vertrauensvorschuss oder Misstrauen?

Grundsätzlich hat jeder von uns eine unterschiedliche Haltung zum Thema Vertrauen. Es gibt diejenigen unter uns, die in einem bestimmten Rahmen sehr leicht Vertrauen schenken können – die sozusagen einen Vertrauensvorschuss geben. Bei diesen Personen kann man nur Vertrauen verlieren und das durch explizite Handlungen wie zum Beispiel nicht eingehaltene Abgabetermine, komplett vergessene Themen oder qualitativ unzureichende Ergebnisse. Wenn so etwas geschieht, ist das Vertrauen natürlich nicht ganz zerstört, nur der Handlungsspielraum wird stärker eingeschränkt und es wird in der Folge eine engere Zusammenarbeit zu den besagten Themen erfolgen. Dies kann man im weiteren Sinne auch als zunehmende Kontrolle in den besagten Punkten ansehen.

Es gibt aber auch Personen, die erst einmal niemandem richtig vertrauen. Bei diesen Menschen muss man sich das Vertrauen erst erarbeiten. Für jeden ist es hilfreich, im Vorhinein zu wissen, was genau zu tun ist, um sich das Vertrauen sukzessive aufzubauen. In der Zusammenarbeit wird es zum Start eher so sein, dass es eine sehr enge Abstimmung geben wird, wo jedes Zwischenergebnis kontrolliert wird. Nach und nach wird man sehen, dass man einander und den Arbeitsergebnissen mehr vertrauen kann und sich der eigene Handlungsspielraum vergrößert.

Neben diesen beiden Extremen gibt es je nach Kontext die unterschiedlichsten Varianten des Vertrauen-Schenkens und -Verdienens. Im Arbeitskontext ist es immer gut, genau dieses Thema sehr früh anzusprechen. Denn je präziser ich einschätzen kann, was von mir erwartet wird und was ich tun kann, um diesen Vertrauensspielraum zu erweitern, desto konfliktfreier und auch fruchtbringender gestaltet sich die Zusammenarbeit. Obwohl es in einem hierarchischen Beschäftigungsverhältnis ganz natürlich scheint, sich darüber auszutauschen, wird dies doch explizit viel zu selten getan.

Gerade auch in der Beziehung zwischen Geschäftspartnern, wird es sogar noch wichtiger, das Thema des Vertrauens ganz offen anzusprechen. Beide Seiten haben aus ihrer persönlichen Sicht Erwartungshaltungen, die man erst im Laufe der Zusammenarbeit so richtig identifizieren kann. Wenn man direkt im Vorfeld auch über das Thema Vertrauen spricht, insbesondere darüber, welches Maß von Freiheit ich gebe und erwarte und welches Maß von Freiheit ich wiederum gerne hätte, dann können direkt am Anfang dieser Geschäftsbeziehung schon viele Wege positiv geebnet werden.

Hierzu ein Beispiel

Ich gebe als Unternehmerin einen Auftrag an eine Agentur zur Bearbeitung meiner Webseite. Ich habe ein ausführliches Briefing erstellt, wir haben ein gutes Gespräch dazu geführt und Meilensteine für das Projekt vereinbart.

Hier mein Szenario, wenn ich viel Vertrauen an diese Agentur weitergebe: Dann erwarte ich bis zum nächsten Meilenstein erst einmal keine kleinteilige Rückmeldung der Arbeitsschritte, es sei denn, es kommen Fragen auf oder Entscheidungen müssen getroffen werden, die nur ich treffen kann. Beim nächsten Meilenstein setzen wir uns wieder zusammen besprechen die nächsten Schritte und dann kümmere ich mich nicht mehr um das Projekt bis zum nächsten Termin. Unstimmigkeiten führen hier nicht gleich zu einem totalen Vertrauensverlust. Dazu müsste wirklich etwas sehr schief gehen oder die Arbeit schlecht sein.

Und jetzt zum Ablauf, wenn ich am Anfang wenig Vertrauen in die Agentur setze: Dann sehen die Kommunikation und Gestaltung des Projektes anders aus. Natürlich halte ich die Agentur für den richtigen Partner, sonst hätte ich sie nicht beauftragt. Allerdings habe ich mit ihr noch nicht zusammengearbeitet, kontrolliere also mehr. Nach dem ausführlichen Briefing erwarte ich, bei jedem wichtigen Zwischenschritt, bei welchem Entscheidungen zu treffen sind, bis zum nächsten Meilenstein, gefragt oder zu mindestens informiert zu werden. Läuft das Projekt dann bis zum ersten Meilenstein so, dass ich mich im Vertrauen, das ich in die Agentur gesetzt habe, bestätigt sehe und gar nicht hätte involviert werden müssen, dann kann es sein, dass ich im nächsten Projektabschnitt nicht mehr so oft eingebunden werden möchte. So genau kann ich das zu diesem Zeitpunkt in diesem Szenario noch nicht sagen, weil meine Erfahrungen noch nicht so weitreichend sind, dass ich meinen Vertrauenskorridor gleich sehr weit öffne. Nach und nach gewinnt die Agentur aber mehr Freiheit in der Umsetzung. Sobald es aber ein Thema gibt, bei dem ich nicht zufrieden bin, kann es direkt wieder zur engen Abstimmung wie am Anfang zurückgehen.

Im Szenario des „Vertrauensvorschusses“ gestaltet sich die Beziehung freier, ich bin als Auftraggebende weniger eingebunden, spare Zeit und werde auch ohne engmaschige Kontrolle zufriedengestellt. Im anderen Fall, wenn mich Misstrauen (auch durch fehlende Erfahrung in der Zusammenarbeit) leitet und ich die Zügel straffer in der Hand halten „muss“, kostet es mich mehr Zeit, mehr Energie – führt unter Umständen aber nicht nur auch zu einem zufriedenen Ergebnis, sondern auch zu einem Schritt zu mehr Vertrauen für die Zukunft. Beides gangbare Wege.

Wie in diesen Beispielen gezeigt, ist das Vertrauensverhältnis ständigen Verhandlungen im Sinne von Überprüfung der Zusammenarbeit unterlegen. Und genauso, wie es für die Vorgesetzten Unterschiede gibt, wieviel Vertrauen sie geben, ist es auch für die geführten Personen sehr unterschiedlich, wie gut sie mit dem ihnen zugestandenen Handlungsspielraum umgehen können. Auch hier gibt es Menschen, die die größtmögliche Freiheit lieben und andere, die sich grundsätzlich eher in überschaubaren Bereichen wohlfühlen. Diese natürlichen Anlagen können in alle Richtungen entwickelt werden.

Vertrauen ist besser!

Aus meiner Sicht ist das Thema Vertrauen ein wesentlicher Faktor im Kompetenzbereich Führung. Deshalb sollte sich jede Führungskraft Gedanken über ihre Einstellung zum Thema Vertrauen machen und auch schauen, wie sich das in ihrem Umfeld auswirkt. Vertrauen in der Zusammenarbeit zieht sich natürlich durch das ganze Arbeitsleben.

  • Wie arbeiten wir im Team zusammen?
  • Wie begegnen wir unseren externen Kontakten?
  • Wie vertrauensvoll arbeiten wir mit unterschiedlichen Bereichen innerhalb des Unternehmens?

Wenn Sie durch die „Vertrauensbrille“ einmal in diese Beziehungen schauen, dann können Sie sehr schnell erkennen, welche Mechanismen ablaufen. Und indem man das Thema einmal anspricht, kann eine ganz andere Sicht auf eingefahrene Strukturen fallen, um diese dann zu verändern und die Zusammenarbeit für alle Seiten zu verbessern. Mehr Vertrauen bedingt meist auch mehr Kreativität, mehr Zufriedenheit, mehr Effizienz und eine höhere Effektivität. Probieren Sie es aus.

Vertrauen erleichtert das Leben!

In der heutigen Arbeitswelt wird gerne mal über agiles Arbeiten gesprochen.

  • Agilität ist die Zukunft!
  • Ohne Agilität ist man nicht mehr wettbewerbsfähig!
  • Wir müssen schnell agil werden!

Woher kommt der Begriff des agilen Arbeitens?

Hier lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, um die Herkunft dieses Begriffes und seine Bedeutung zu ergründen. Agiles Arbeiten wurde als neuer Ansatz in der Softwareentwicklung im Jahr 2001 erstmals zusammenfassend in der Methode SCRUM und dem begleitenden „Agile Manifesto“ von Softwareentwicklern beschrieben.

Die Ziele waren schnellere Entwicklungszyklen mit absoluter Fokussierung auf kunden- oder anwenderrelevante Funktionalität/Nutzen. Klassische Entwicklungszyklen sollten aufgebrochen werden, um eine schnellere Anpassung an die sich ändernden Anforderungen des Marktes zu erzielen. Auch war bekannt, dass bei den meisten Softwareentwicklungen von einem Großteil der Anwender nur ca. 20 % der Funktionalität tatsächlich benutzt wurden. Nichtsdestotrotz wurden neue Versionen erst freigeschaltet, wenn das Gesamtpaket fertig war. Dies führte zu langen Entwicklungszyklen und jeweils großen Versionswechseln. Mit dem neuen, agilen Ansatz wurden in jedem kleinen Entwicklungszyklus, der je nach Thema und Team ein bis maximal vier Wochen dauerte, jeweils fertige und lauffähige Mini-Module (minimal viable product) produziert. Dies steigerte die Effizienz der Entwicklung enorm.

Und was bedeutet agiles Arbeiten nun genau?

Bleiben wir beim Beispiel der Softwareentwicklung und des Roll-outs, gehört zum Ansatz des agilen Arbeitens, dass diejenigen Teams, die die operative Umsetzung gestalten, eigenverantwortlich arbeiten. Der Einzelne und die Zusammenarbeit stehen hier über wohl definierten Abläufen. In jedem dieser Teams müssen alle Rollen besetzt sein, um für diese Software den Aufwand zu schätzen und diese zu designen, zu programmieren und zu testen. Dabei arbeitet das jeweilige Team völlig eigenverantwortlich. Im Allgemeinen steigen die Produktionsgeschwindigkeit oder der funktionale Output solcher Teams mit wachsender Erfahrung.

Nur sind diese eigenverantwortlich arbeitenden Teams nicht das einzige, was sich vor dem Hintergrund erfolgreichen agilen Arbeitens dem Prozess anpassen bzw. diesen neu gestalten muss. Es gibt eine Seite (Product owner), die dem Kunden oder dem Markt zugewandt ist und dort sehr präzise die gewünschten Funktionalitäten aus Kunden- oder Endanwendersicht beschreibt und in regelmäßigen Zyklen diese Anforderungen neu priorisiert. Dazu werden unterstützend „Agile Coaches“ eingesetzt, die zum einen die umsetzenden Teams im Prozessrahmen unterstützen, zum anderen Probleme aufnehmen, im Unternehmen ansprechen und beseitigen sowie die regelmäßigen Austauschrunden organisieren und moderieren.

Es gibt noch diverse andere agile Ansätze, die eines gemeinsam haben: Das Umsetzen erfolgt in freiheitlich und eigenverantwortlich arbeitenden eigenständigen Teams. Auch hat sich das Thema des agilen Arbeitens längst in anderen Bereichen außerhalb der Softwareentwicklung etabliert.

Welche Kompetenzen müssen vorhanden sein, um sich in solch einem Umsetzungsteam wohlzufühlen?

Zum einen muss ich natürlich gerne im Team arbeiten. Der tägliche Austausch und die Abstimmung untereinander sind ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Auch muss ich bereit sein, für meine Arbeit und für das Team Verantwortung zu übernehmen. Innerhalb solch eines Teams treten alle Themen, die auch unter „normalen Arbeitsbedingungen“ relevant sind, ebenfalls auf und wollen geklärt werden:

  • Wie planen wir unsere Urlaubstage?
  • Was machen wir, wenn jemand kurzfristig erkrankt?
  • Wie gehen wir mit einem Teammitglied um, das nicht die gleiche Leistung bringt wie wir anderen oder die erforderliche Leistung bringt?
  • Was machen wir, wenn jemand neu dazu kommt oder ausscheidet?
  • Wie gehe ich mit steigenden Überstunden um?

Ich muss also über den Tellerrand meiner Fachkompetenz blicken wollen.

Ein Kern der agilen Entwicklung ist es, auch noch sehr spät im Entwicklungsprozess auftretende signifikante Veränderungsanforderungen mit aufzunehmen und zu realisieren. Hier muss ich persönlich auch offen für Veränderungen sein: „Was der Kunde oder Anwender wünscht, ist der Auftrag, dem ich gerne und immer wieder neu folge.“

Ein ganz wichtiger Faktor ist auch die Eigenverantwortung. Traue ich mich, realistische Schätzungen abzugeben, auch wenn der Auftraggeber Druck macht? „Ich habe die drei letzten Nächte fast durchgearbeitet und bräuchte dringend mal eine Pause, aber die Deadline ruft. – Finde ich hier den Mut, dies auch offen zu kommunizieren?“ Ich muss meine Arbeit also selber einteilen. Fällt mir das leicht?

Welche Kompetenzen braucht das Unternehmen?

Hier sind vor allem die früher voll verantwortlichen Führungskräfte gefragt, ihre Bereitschaft, agil arbeitende Teams zuzulassen:

  • Kann ich meinen Mitarbeitern so viel Verantwortung übergeben?
  • Reicht mein Vertrauen in sie?
  • Habe ich die Disziplin, mich aus dem Entwicklungsprozess herauszuhalten?
  • Kann ich Teambeschlüsse akzeptieren, auch wenn ich selber anders entscheiden würde?
  • Kann ich den Prozess zu Sammlung und Priorisierung der fachlichen Anforderungen so gestalten, dass er klar und in der operativen Umsetzung weitgehend autark läuft?
  • Kann ich damit leben, dass sich meine Umsetzungsteams nicht so schnell entwickeln wie ich es mir wünsche?
  • Kann ich ein Umfeld aufbauen, das auf dem höchsten technischen Niveau ist, um meine Entwickler bestmöglich zu unterstützen?

Agilität basiert auf kleinen, autonom und selbstorganisiert arbeitenden Teams. Dies müssen Führungskräfte „aushalten“ und aktiv unterstützen, damit gewinnbringend, effektiv und effizient Leistung erbracht werden kann.

Fazit

Insgesamt ist der Einsatz agiler Umsetzungsmethoden eine Entscheidung, die in einem größeren Kontext getroffen werden muss. Immerhin bricht agiles Arbeiten an vielen Stellen mit traditionellen Organisations- und Projektstrukturen und wagt Neues. Dabei muss nicht das ganze Unternehmen agil werden, aber wenn ich Bereiche agilisieren möchte, dann müssen die Abläufe und Verantwortlichkeiten klar definiert werden.

 

Wenn agil – dann richtig!